7 Fragen und Antworten zu Corona und Mitbestimmung
In Zeiten der »Corona-Krise« ist die Interessenvertretung besonders gefordert, um die Beschäftigten zu schützen. Was sollte sie jetzt tun? Wie sieht die Mitbestimmung aus, wenn der Arbeitgeber alle Beschäftigten ins Homeoffice schicken will oder Fiebermessen vor der Arbeitsaufnahme anordnet? Unser Experte Prof. Dr. Wolfgang Däubler gibt Antworten.
- Welche Rolle hat der Betriebsrat/Personalrat beim Thema Corona? Was sollten Interessenvertretungen jetzt tun?
Jeder Betriebsrat und jeder Personalrat wird sich automatisch darum kümmern, ob der Betrieb bzw. die Dienststelle von der Corona-Seuche betroffen ist. Gibt es eine infizierte Person? Hat jemand Symptome, die auf eine Infektion hindeuten? Und wenn nein: Besteht eine besondere Gefahr durch ausgedehnten Publikumsverkehr? Gibt es Risikogruppen im Betrieb, z. B. Personen mit geschwächtem Immunsystem oder Rentner über 65? Wie verhalten sich vergleichbare Betriebe und Dienststellen? Alle diese Fragen muss sich in erster Linie der Arbeitgeber stellen, aber die Interessenvertretung tut gut daran, sich auch ihrerseits um die Probleme zu kümmern. Nicht selten wird es auch zu Gesprächen und einem Meinungsaustausch mit der Arbeitgeberseite kommen. Irgendwie sind ja alle in vergleichbarer Weise betroffen.
- Wie sieht die Mitbestimmung aus, wenn der Arbeitgeber bestimmte Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen, z.B. das Tragen eines Mundschutzes, Fiebermessen vor der Arbeitsaufnahme einführen will?
In der Regel wird hier die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG über »Ordnung des Betriebs« und »Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb« eingreifen. Anerkannt ist z. B., dass das Tragen einer bestimmten Dienstkleidung oder einer Uniform der Mitbestimmung unterliegt. Für die Atemmaske kann deshalb nicht anderes gelten. Dasselbe gilt beim Fiebermessen ohne Körperkontakt – wobei man sich die Frage stellen muss, ob das nicht eine unverhältnismäßige Maßnahme ist, wenn es im Betrieb nicht einmal Verdachtsfälle gibt und wenn man auch so gut wie keinen Publikumsverkehr hat. Hier wäre ich gegen eine Zulässigkeit.
In der Personalvertretung des Bundes ergibt sich das Mitbestimmungsrecht des Personalrats aus § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG. Im Übrigen findet man in der Zeitschrift »Arbeitsrecht im Betrieb« (AiB) Heft 1/2010 Antworten auf viele Fragen: Damals ging es um die »Schweinegrippe«, die dann nicht zur Pandemie wurde. Insbesondere in den Beiträgen von Kiesche/Rudolph und von Felser/Winkel sind zahlreiche Probleme angesprochen, die uns auch heute beschäftigen.
- Was kann der Betriebsrat/Personalrat tun, wenn der Arbeitgeber keine Schutzmaßnahmen für Beschäftigte bewilligt?
Gerade weil die Schutzmaßnahmen der Mitbestimmung unterliegen, kann auch der Betriebsrat bzw. der Personalrat die Initiative ergreifen. Er kann also z. B. verlangen, dass Desinfektionsmittel verfügbar sind oder dass man niemandem mehr im Betrieb mit Handschlag begrüßt. Vorschläge dieser Art diskutiert man am besten zunächst mit den Kolleginnen und Kollegen; sind die meisten dafür, wird man sich an den Arbeitgeber wenden, der sich in der aktuellen Situation kaum dagegen stellen wird. Schließlich wäre es irgendwie grotesk, wenn über eine solche Frage die Einigungsstelle entscheiden müsste.
- Wie sieht die Mitbestimmung aus, wenn der Arbeitgeber alle Beschäftigten ins Homeoffice schicken will?
Typische Juristenantwort: Das kommt darauf an. Existiert eine Betriebs- bzw. eine Dienstvereinbarung über die Arbeit im Homeoffice, so kann der Arbeitgeber von den dort vorgesehenen Möglichkeiten natürlich Gebrauch machen. Ist etwa vorgesehen, dass der Einzelne die ganze Woche über zu Hause arbeiten kann und nur zu Besprechungen in die Firma kommen muss, so kommt das »Nach-Hause-Schicken« durchaus in Betracht. Rechtlich könnte sich der Einzelne wehren, wenn es sich um ein Recht und keine Pflicht handelt, aber faktisch wird sich da niemand dagegen stellen.
Die rechtliche Ausgangssituation ändert sich, wenn gar keine Vereinbarung existiert oder wenn diese nur ein oder zwei Homeoffice-Tage vorsieht. Hier könnte der Einzelne »Nein« sagen, denn der Arbeitgeber kann niemand »nach Hause versetzen«: Die Grundlagen des Arbeitsverhältnisses ändern sich, wenn nicht mehr mit den Gegenständen des Arbeitgebers, sondern zumindest teilweise mit eigenen gearbeitet wird.
Allerdings gibt es eine beiderseitige Pflicht zur Rücksichtnahme. Ist die Arbeit in Betrieb oder Dienststelle mit beträchtlichen Risiken verbunden (weil sich z. B. ein Kollege als Verdachtsfall krank gemeldet hat), so kann es die ungeschriebene Pflicht zur Rücksichtnahme gebieten, dass man zu Hause arbeitet, auch wenn das sonst nicht vorgesehen ist: Der Arbeitgeber nimmt auf die Ansteckungsgefahr Rücksicht und lässt keine betriebliche Arbeit mehr zu, die Arbeitnehmer nehmen auf die betrieblichen Interessen Rücksicht und machen zu Hause weiter an einem »improvisierten« Arbeitsplatz.
Das geht natürlich nicht bei allen Tätigkeiten: Wer eine Maschine zu bedienen hat, muss vor Ort sein. Kunden Beraten kann man demgegenüber auch telefonisch, d. h. von zu Hause aus. Eine solche außerplanmäßige Arbeit in der Wohnung hängt allerdings von der Zustimmung des Betriebsrats bzw. des Personalrats ab: Das betriebliche Arbeitnehmerverhalten ist betroffen. Auch werden sich faktisch Abweichungen von den bestehenden Betriebsvereinbarungen zur Arbeitszeit ergeben.
- Sollten Betriebsräte/Personalräte neue Betriebsvereinbarungen abschließen, um z.B. Hygienevorschriften, Meldung bei Arbeitsunfähigkeit oder Homeoffice neu zu regeln?
Der Abschluss einer Betriebsvereinbarung ist immer mit einem gewissen Aufwand verbunden. Man denke nur an die Präambel und die richtig formulierte salvatorische Klausel. Auch kann es streitige Rechtsfragen geben, die einen Verhandlungsprozess sehr in die Länge ziehen. Deshalb wäre ich für das Mittel der Betriebsabsprache: Man ist sich einig, wie man vorgeht, welche Maßnahmen jetzt getroffen werden. Das bringt man zu Papier und dann wird gehandelt. Für später kann man sich die Feinarbeit vornehmen, wenn ein Bedarf bestehen sollte: Zum Mitbestimmungsrecht gehört nach der Rechtsprechung auch die Befugnis, einen durch Betriebsabsprache geregelten Gegenstand in die Form einer Betriebsvereinbarung zu bringen, wobei natürlich auch inhaltliche Änderungen möglich sind.
- Welche Rolle hat die Interessenvertretung, wenn ein Mitarbeiter an Corona erkrankt ist? Muss er die Arbeitnehmer informieren? Was ist, wenn der Arbeitgeber nicht aktiv wird?
Tritt ein Erkrankungsfall auf, wird der Arbeitgeber in der Regel die Belegschaft informieren und über die Konsequenzen mit dem Betriebsrat/Personalrat verhandeln. Unternimmt er nichts (weil Chef und Stellvertreter im Urlaub sind und sich niemand traut, eine Entscheidung zu treffen), so kann und muss der Betriebsrat die Initiative ergreifen und alle über den Erkrankungsfall informieren. Nur der Name des Betroffenen darf nicht genannt werden und auch nicht seine Arbeitsgruppe, weil dies Rückschlüsse zulassen würde. Wer mit dem Erkrankten in Kontakt war, sollte zwei Wochen zu Hause bleiben, um so die »Ansteckungskette« zu unterbrechen.
Der Betriebsrat kann auch das Gesundheitsamt anrufen und um Rat bitten, wie sich die Beteiligten verhalten sollen. Dies kann dann zur formalen Anordnung einer Quarantäne gegenüber bestimmten Personen führen. Kamen praktisch alle mit der erkrankten Person in Berührung, wird der Betrieb vorübergehend geschlossen. Handelt es sich um einen Filialbetrieb z. B. einer Bank, so müssen die Räumlichkeiten gründlich desinfiziert werden; einige Tage später kann dann der Betrieb mit Hilfe einer aus anderen Filialen kommenden »Notmannschaft« fortgesetzt werden, wenn sich dies als zwingend notwendig erweisen sollte.
- Der Arbeitgeber ist hinsichtlich der Betriebsratsarbeit/Personalratsarbeit nicht weisungsbefugt. Darf der Arbeitgeber im Corona-Fall ausnahmsweise anordnen, dass die Betriebsratsarbeit/Personalratsarbeit im Homeoffice erledigt wird? Darf er den Besuch von Betriebsratsschulungen/Personalratsschulungen außerhalb des Betriebs verbieten?
Wo und wann der Betriebsrat bzw. der Personalrat arbeitet, entscheidet er selbst. Das ist seine eigene Geschäftsführungsbefugnis, an Weisungen des Arbeitgebers ist er insoweit nicht gebunden. Untersagt der Arbeitgeber beispielsweise Meetings aller Art, so kann der Betriebsrat trotzdem zu einer Sitzung zusammen kommen; dasselbe gilt für den Gesamt- und den Konzernbetriebsrat.
Der Besuch von Schulungen nach § 37 Abs. 6 BetrVG ist auch dann zulässig, wenn der Arbeitgeber im Übrigen alle Dienstreisen verboten hat. Eine andere Frage ist, ob der Betriebsrat nicht aus denselben Gründen wie der Arbeitgeber auf Sitzungen und Schulungsteilnahmen verzichtet; die Wahrnehmung von Gefahren kann durchaus dieselbe sein. Nur: Der Betriebsrat ist selbständig und trifft seine eigenen Entscheidungen.
Autor:
Dr. Wolfgang Däubler
Professor für Deutsches und Europäisches Arbeitsrecht, Bürgerliches und Wirtschaftsrecht an der Universität Bremen. Er ist einer der bekanntesten Arbeitsrechtler.
Coronavirus: Arbeitsrechtliche Auswirkungen
Fragen und Antworten:
Habe ich einen Anspruch darauf, von zu Hause aus (im Home Office) zu arbeiten?
Ein gesetzlicher Anspruch, von zu Hause aus zu arbeiten, besteht nicht. Arbeitnehmer können dies jedoch mit ihrem Arbeitgeber vereinbaren. Die Option kann sich zudem aus einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag ergeben.
Muss ich ins Büro, wenn die Kollegen husten?
Ein allgemeines Recht des Arbeitnehmers, bei Ausbruch einer Erkrankungswelle wie COVID-19 der Arbeit fernzubleiben, gibt es nicht. Für das Eingreifen eines Leistungsverweigerungsrechts wäre es erforderlich, dass ihm die Erbringung seiner Arbeitsleistung unzumutbar ist (§ 275 Abs. 3 BGB). Eine Unzumutbarkeit ist z.B. dann gegeben, wenn die Arbeit für den Betroffenen eine erhebliche objektive Gefahr oder zumindest einen ernsthaften objektiv begründeten Verdacht der Gefährdung für Leib oder Gesundheit darstellt. Das bloße Husten von Kollegen ohne weiteren objektiv begründeten Verdacht oder Anhaltspunkte für eine Gefahr wird dafür wohl nicht ausreichen.
Darf der Arbeitgeber Überstunden anordnen, wenn viele Kolleginnen und Kollegen krankheitsbedingt ausfallen?
Von Überstunden spricht man, wenn die vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit überschritten wird.
Arbeitnehmer sind grundsätzlich nur dann zur Leistung von Überstunden verpflichtet, wenn sich dies aus einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Arbeitsvertrag ergibt. Es kann jedoch auch eine Nebenpflicht zur Leistung von Überstunden bestehen, wenn durch die geforderten Überstunden ein sonst dem Arbeitgeber drohender Schaden, der auf andere Weise nicht abgewendet werden kann, vermieden wird. Dies könnte auch dann der Fall sein, wenn es beispielsweise aufgrund von COVID-19-Erkrankungen zu erheblichen Personalausfällen kommt.
Besteht keine arbeits- oder kollektivvertragliche Bestimmung über die Bezahlung der Überstunden, kann der Arbeitnehmer grundsätzlich gem. § 612 BGB die Grundvergütung für die Überstunden verlangen. Der Anspruch auf Überstundenvergütung setzt voraus, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet wurden und jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig waren.
Habe ich im Fall einer vorübergehenden Betriebsstörung oder -schließung Anspruch auf Entgeltfortzahlung?
Im Hinblick auf die Entgeltfortzahlung gilt, dass der Arbeitgeber grundsätzlich weiter zur Entgeltzahlung verpflichtet bleibt, wenn die Arbeitnehmer arbeitsfähig und arbeitsbereit sind, aber er sie aus Gründen nicht beschäftigen kann, die in seiner betrieblichen Sphäre liegen (sog. Betriebsrisikolehre, § 615 Satz 3 BGB). Dazu würden etwa Fälle zählen, in denen es aufgrund von COVID-19-Erkrankungen zu erheblichen Personalausfällen oder Versorgungsengpässen käme, in deren Folge der Arbeitgeber die Betriebstätigkeit vorübergehend einstellen würde. Die Arbeitnehmer behalten also in diesen Fällen ihren Entgeltanspruch, auch wenn sie nicht arbeiten können.
Hinweis: Für diese Konstellationen, in denen weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer den Arbeitsausfall zu vertreten haben, können einzel- oder kollektivvertragliche Vereinbarungen Abweichendes regeln.
Kann ein Unternehmen bei Arbeitsausfällen wegen des Coronavirus Kurzarbeitergeld bekommen?
Lieferengpässe, die im Zusammenhang mit dem Corona-Virus entstehen, oder behördliche Betriebsschließungen mit der Folge, dass die Betriebe ihre Produktion einschränken oder einstellen müssen, können zu einem Anspruch auf Kurzarbeitergeld für die vom Arbeitsausfall betroffenen Beschäftigten führen.
Betriebe, die Kurzarbeitergeld beantragen möchten, müssen die Kurzarbeit zuvor bei der zuständigen Agentur für Arbeit anzeigen.
Ob die Voraussetzungen für die Gewährung des Kurzarbeitergelds vorliegen, prüft die zuständige Agentur für Arbeit im Einzelfall.
Kurzarbeitergeld kann für eine Dauer von bis zu zwölf Monaten bewilligt werden. Kurzarbeitergeld wird in derselben Höhe wie Arbeitslosengeld bezahlt und beträgt 67 bzw. 60 Prozent der Differenz zwischen dem pauschalierten Nettoentgelt, das ohne Arbeitsausfall gezahlt worden wäre, und dem pauschaliertem Nettoentgelt aus dem tatsächlich erhaltenen Arbeitsentgelt.
Nähere Informationen zur Beantragung des Kurzarbeitergeldes sind auf der Homepage der Bundesagentur für Arbeit unter folgendem Link zu finden:
www.arbeitsagentur.de/news/kurzarbeit-wegen-corona-virus
Was passiert, wenn der Arbeitgeber Kurzarbeit angeordnet hat?
Etwas anderes als bei Frage 4 gilt etwa dann, wenn der Arbeitgeber berechtigt Kurzarbeit angeordnet hat. Kommt es so zu einem Arbeitsausfall mit Entgeltausfall, etwa weil Lieferengpässe infolge des Coronavirus auftreten und der Betrieb in der Folge nur eingeschränkt oder gar nicht arbeitsfähig ist oder weil ein Betrieb auf behördliche Anordnung schließen muss, so kommt ein Anspruch der betroffenen Arbeitnehmer auf Kurzarbeitergeld in Betracht. Kurzarbeitergeld kann für eine Dauer von bis zu zwölf Monaten bewilligt werden. Kurzarbeitergeld wird in derselben Höhe wie Arbeitslosengeld bezahlt und beträgt 67 bzw. 60 Prozent der Differenz zwischen dem pauschalierten Nettoentgelt, das ohne Arbeitsausfall gezahlt worden wäre, und dem pauschaliertem Nettoentgelt aus dem tatsächlich erhaltenen Arbeitsentgelt. Ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld vorliegen, prüft die zuständige Agentur für Arbeit im Einzelfall.
Was passiert, wenn mein Kind nicht krank ist, aber die Kita/Schule meines Kindes (länger) geschlossen wird und ich keine andere Betreuung für das Kind habe? Muss ich Urlaub nehmen?
Ist bei der Schließung der Kita/Schule unter Berücksichtigung des Alters der Kinder eine Betreuung erforderlich, so müssen die Eltern zunächst alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, die Kinderbetreuung anderweitig sicherzustellen (z. B. Betreuung durch anderen Elternteil). Kann die erforderliche Kinderbetreuung auch dann nicht sichergestellt werden, dürfte in der Regel ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers bestehen, da die Leistungserfüllung unzumutbar sein dürfte (§ 275 Abs. 3 BGB). D. h. in diesen Fällen wird der Arbeitnehmer von der Pflicht der Leistungserbringung frei; es ist nicht zwingend erforderlich, Urlaub zu nehmen.
Zu beachten ist jedoch, dass bei einem Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers aus persönlichen Verhinderungsgründen nur unter engen Voraussetzungen ein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts bestehen kann. Ein solcher Entgeltanspruch kann sich aus § 616 BGB für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit ergeben. Zudem kann der Anspruch aus § 616 BGB durch arbeits- oder tarifvertragliche Vereinbarungen eingeschränkt oder sogar vollständig ausgeschlossen sein.
Nimmt der Arbeitnehmer Urlaub, erhält er Urlaubsentgelt.
In dieser Situation dürfte es hilfreich sein, zunächst das Gespräch mit dem Arbeitgeber zu suchen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales appelliert an alle Arbeitgeber, zusammen mit den betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern pragmatische Lösungen (z. B. Homeoffice, kreative Arbeitszeitmodelle, Nutzung von Urlaub und Arbeitszeitkonten, etc.) zu vereinbaren , welche den Belangen der Familien und der Arbeitsfähigkeit der Betriebe und Einrichtungen Rechnung tragen.
Was passiert, wenn ich meinen Arbeitsplatz nicht erreichen kann, etwa weil die S- oder U-Bahn nicht fährt?
Kann der Beschäftigte aufgrund von allgemein angeordneten Maßnahmen seinen (unbelasteten) Arbeitsplatz nicht erreichen und somit seine Arbeitsleistung nicht erbringen, hat er grundsätzlich keinen gesetzlichen Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Vergütung. Denn der Arbeitnehmer trägt das Risiko, dass er zum Betrieb als seinem Arbeitsort gelangt (sog. Wegerisiko).
Was passiert, wenn ich an COVID-19 erkrankt bin?
Ist der Beschäftigte infolge einer Infektion mit dem Coronavirus arbeitsunfähig erkrankt und somit an seiner Arbeitsleistung verhindert, besteht ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für den Zeitraum von sechs Wochen (§ 3 EFZG). Nach diesem Zeitraum haben gesetzlich Krankenversicherte grundsätzlich Anspruch auf Krankengeld.
Habe ich einen Anspruch auf mein Entgelt, wenn sich die behördliche Infektionsschutzmaßnahme gegen mich wendet?
Ist der Arbeitnehmer selbst als Betroffener Adressat einer behördlichen Maßnahme, wie z.B. Tätigkeitsverbot oder Quarantäne, kann er zum einen einen Entgeltanspruch gegen seinen Arbeitgeber haben. Aus Sicht des BGH kann in einem solchen Fall ein vorübergehender, in der Person des Arbeitnehmers liegender Verhinderungsgrund bestehen, der den Arbeitgeber trotz Wegfalls der Pflicht zur Arbeitsleistung zur Entgeltfortzahlung verpflichtet (§ 616 BGB). Die Dauer der Entgeltfortzahlung hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1978, III ZR 43/77 – nach dieser Entscheidung für höchstens 6 Wochen).
In Fällen, in denen § 616 BGB durch Einzel- oder Tarifvertrag eingeschränkt oder ausgeschlossen ist oder aus anderen Gründen nicht greift, besteht in vielen Konstellationen ein öffentlich-rechtlicher Entschädigungsanspruch. Personen, die als Ansteckungsverdächtige auf Anordnung des zuständigen Gesundheitsamts isoliert werden und deshalb einen Verdienstausfall erleiden, erhalten eine Entschädigung nach § 56 des Infektionsschutzgesetzes. Die Entschädigung bemisst sich nach dem Verdienstausfall. Für die ersten sechs Wochen wird sie in Höhe des Verdienstausfalls gewährt. Vom Beginn der siebten Woche an wird sie in Höhe des Krankengeldes gewährt. Arbeitnehmer erhalten von ihrem Arbeitgeber für die Dauer der Isolierung, längstens für sechs Wochen, eine Entschädigung in Höhe des Nettolohns. Die ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber auf Antrag erstattet. Nach sechs Wochen zahlt der Staat in Höhe des Krankengeldes weiter. Erkrankte fallen nicht unter diese Entschädigungsregelung, weil diese bereits Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Krankengeld erhalten.
Welche Verpflichtungen haben Arbeitgeber zum Schutz der Arbeitnehmer? Fällt unter die Gefährdungsbeurteilung für seine Mitarbeiter*innen auch der Schutz vor ansteckenden Krankheiten?
Der Arbeitgeber hat nach Arbeitsschutzgesetz grundsätzlich die Verpflichtung die Gefahren für die Sicherheit und Gesundheit für seine Beschäftigten am Arbeitsplatz zu beurteilen (sog. Gefährdungsbeurteilung) und Maßnahmen hieraus abzuleiten. Im Rahmen der Pandemieplanung (Bevölkerungsschutz) hat der Arbeitgeber ggf. weitere Maßnahmen zu ermitteln und durchzuführen. Konkrete Hinweise hierzu finden sich zum Beispiel im Nationalen Pandemieplan auf der Homepage des RKI.
Für den Arbeitsschutz gilt, wenn eine beschäftigte Person aufgrund ihrer Arbeit mit biologischen Arbeitsstoffen umgeht, ist die Biostoffverordnung anzuwenden (§ 4 BioStoffV). Biostoffe wie Viren, Bakterien etc. müssen in der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt werden. Aus den Gefährdungen muss der Arbeitgeber Schutzmaßnahmen für seine Beschäftigten ableiten und umsetzen. Die Maßnahmen können technisch und organisatorisch sein, wie etwa die Abtrennung der Arbeitsbereiche oder die Beschränkung der Mitarbeiterzahl. Bei entsprechender Gefährdung hat der Arbeitgeber außerdem persönliche Schutzausrüstung wie beispielsweise Schutzhandschuhe oder Atemschutz zur Verfügung zu stellen. Zu den Gefährdungen sind die Beschäftigten über eine Unterweisung allgemein sowie über eine arbeitsmedizinische Vorsorge individuell zu beraten. Konkretisierungen enthalten beispielsweise die Technische Regel „Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege“ (TRBA 250) oder der Beschluss 609 „Arbeitsschutz beim Auftreten einer nicht ausreichend impfpräventablen humanen Influenza“, welcher derzeit in der Prävention von COVID-19 analog Anwendung findet.
Welche Informationen muss ich dem Arbeitgeber meine Gesundheit betreffend (ggf. auf dessen Nachfrage) geben?
Fragen des Arbeitsgebers nach dem Gesundheitszustand eines Arbeitnehmers bedürfen grundsätzlich einer besonderen Rechtfertigung, da sie nicht unerheblich in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers und dessen Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen. Aus diesem Grund enthalten z. B. ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die den Arbeitgebern vorgelegt werden, auch keine Diagnosen.
Wurde bei einem Arbeitnehmer jedoch eine Erkrankung an Corona festgestellt, kann der Arbeitgeber aber Auskunft hierüber verlangen, damit er seiner Fürsorge- und Schutzpflichten nachkommen und die gesundheitlichen Belange anderer Arbeitnehmer schützen kann.
Bin ich verpflichtet, Dienstreisen anzutreten und an dienstlichen Veranstaltungen teilnehmen?
Grundsätzlich sind Arbeitnehmer verpflichtet, die arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistungen, wozu auch Dienstreisen und dienstliche Veranstaltungen zählen, zu erbringen. Allerdings kann ein Leistungsverweigerungsrecht bestehen, wenn dem Arbeitnehmer die Erbringung seiner Arbeitsleistung unzumutbar ist (§ 275 Abs. 3 BGB). Eine Unzumutbarkeit ist z. B. dann gegeben, wenn die Arbeit für den Betroffenen eine erhebliche objektive Gefahr oder zumindest einen ernsthaften objektiv begründeten Verdacht der Gefährdung für Leib oder Gesundheit darstellt. Dies ist im Einzelfall zu entscheiden. Die bloße Befürchtung, man könne sich mit dem Coronavirus infizieren, dürfte ohne weitere objektiv begründete Anhaltspunkte nicht ausreichen, um die Teilnahme an einer Dienstreise oder sonstigen dienstlichen Veranstaltungen zu verweigern.
Was passiert, wenn der Arbeitgeber Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach Hause schickt, z. B. weil sie Husten haben?
Der Arbeitgeber ist aus seiner Fürsorgepflicht heraus verpflichtet, einen objektiv arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmer von der Arbeit fernzuhalten. Wird ein solcher Arbeitnehmer von dem Arbeitgeber nach Hause geschickt, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Es gelten die Regelungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG).
Ein Arbeitgeber, der Arbeitnehmer, die arbeitsfähig und auch arbeitsbereit sind, rein vorsorglich nach Hause schickt, bleibt aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zur Zahlung der Vergütung verpflichtet (§ 615 S. 1 BGB). In diesen Fällen muss der Arbeitnehmer die ausgefallene Arbeitszeit auch nicht nachholen.
Wann muss ich die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen?
Jeder Arbeitnehmer hat seinem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern anzuzeigen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz – EFZG). Dies kann z. B. telefonisch geschehen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als 3 Kalendertage ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber spätestens am darauffolgenden Arbeitstag eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer vorzulegen (§ 5 Abs. 1 S. 2 EFZG). Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung früher zu verlangen. Allerdings kann der Arbeitgeber die Vorlage auch zu einem späteren Zeitpunkt verlangen oder vorübergehend darauf verzichten. In der aktuellen Situation wird empfohlen, Rücksprache zum konkreten Vorgehen mit dem Arbeitgeber zu halten.
Soweit Erkrankte zunächst die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht an ihren Arbeitgeber übermitteln können (z. B. wegen überlasteter Arztpraxen), kann dem Arbeitgeber die Bescheinigung auch später vorgelegt werden. Gegebenenfalls zunächst nicht fortgezahltes Arbeitsentgelt ist dann vom Arbeitgeber nachzuzahlen.
Gibt es Informationen für niedergelassene Ärzte sowie Krankenhäuser und Kliniken für den ressourcenschonenden Einsatz von Schutzausrüstung?
Der ad hoc Arbeitskreis „COVID-19“ des Ausschusses für Biologische Arbeitsstoffe (ABAS) hat zu dieser Frage im Auftrag des BMAS ein Informationspapier erarbeitet. Dieses ist unter folgendem Link abrufbar:
https://www.baua.de/DE/Themen/Arbeitsgestaltung-im-Betrieb/Biostoffe/FAQ/pdf/Empfehlungen-organisatorische-Massnahmen.pdf
Weiterhin wird empfohlen, sich bei konkreten Fragen und Problemen an die bei Ihnen zuständige Arbeitsschutzbehörde oder sich an Ihren Unfallversicherungsträger zu wenden.
Eine Liste mit Kontaktdaten der Arbeitsschutzbehörden finden Sie unter folgendem Link: https://www.baua.de/DE/Themen/Arbeitsgestaltung-im-Betrieb/Branchen/Bauwirtschaft/Baustellenverordnung/pdf/Arbeitsschutzbehoerden.pdf
Die Kontaktdaten der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen sind unter folgender Adresse abrufbar: https://www.dguv.de/de/bg-uk-lv/index.jsp
Quelle: BMAS
Stechuhr für alle?
Nach dem „Stechuhr-Urteil“ des EuGH wird kontrovers diskutiert, welche Folgen sich für das Arbeitsleben ergeben. Verbände warnen vor einer „Zeitreise in die Vergangenheit“.
Mit seinem Urteil über die Pflicht zur systematischen Arbeitszeiterfassung vom 14. Mai 2019 (Az. C-55/18) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) für mediale Aufmerksamkeit gesorgt. Hiernach sind Arbeitgeber verpflichtet, in Befolgung der europäischen Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG verlässliche Systeme zu schaffen, mit denen die tägliche Arbeitszeit eines jeden Arbeitnehmers gemessen werden kann.
Ohne solche Vorkehrungen könne weder die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden und ihre zeitliche Verteilung, noch die Zahl der Überstunden objektiv und verlässlich ermittelt werden. Da der Arbeitnehmer aber der strukturell unterlegene Part im Arbeitsverhältnis sei, müsse dies zu dessen Schutz aber gewährleistet sein, so die Luxemburger Richter.
Diesem Urteil wurde nicht nur von Arbeitsrechtlern Aufmerksamkeit geschenkt, vielmehr wurden auch Berufsverbände, Gewerkschaften und die Politik auf den Plan gerufen. Von einer „Zeitreise in die Vergangenheit“ bis hin zu keinem wirklichen Handlungsbedarf für die Situation deutscher Arbeitgeber reichten die Äußerungen.
Umsetzung des EuGH Urteils ist alternativlos
Zunächst gilt: Das Urteil des EuGH ist in der Welt. Der EuGH ist dazu berufen, unbestimmte Rechtsbegriffe und Auslegungsspielräume der Arbeitszeitrichtlinie auszufüllen. Seine Interpretation bindet die jeweiligen nationalen Gesetzgeber. Zudem stützt der EuGH seine Argumentation nicht nur auf die Arbeitszeitrichtlinie, sondern beruft sich überdies auch auf die Grundrechtecharta (GRCh).
Deren Artikel 31 Abs. 1 garantiert den Arbeitnehmern „gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen“, wobei Art. 31 Abs. 2 GRCh sodann noch genauer wird und den Arbeitnehmern ein „Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten“ zuspricht. Insoweit besteht kein Spielraum für den deutschen Gesetzgeber, eine klare Vorgabe des EuGH umzusetzen oder aber – wenn sie womöglich als unpassend angesehen wird – dies nicht zu tun. Die Umsetzung der Vorgaben des EuGH ist damit – um einen Begriff der Politik zu bemühen – alternativlos.
Spielräume und gestalterische Stellschrauben
Richtigerweise ist der Ansatzpunkt daher nicht, ob das Urteil umgesetzt werden sollte, sondern vielmehr welche Spielräume dem nationalen Gesetzgeber bleiben. Hier ergeben sich aus dem Urteil bereits verschiedene Möglichkeiten:
So trifft das Urteil keine Aussage dazu, wer die Arbeitszeit erfassen muss. Vielmehr führt der EuGH explizit aus, dass den Mitgliedsstaaten bei den Modalitäten, insbesondere der Form des Systems zur Arbeitszeiterfassung, ein Spielraum eröffnet sei. Es findet sich auch keine entgegenstehende Formulierung dazu, dass die Dokumentation nicht durch den Arbeitnehmer selbst erfolgen kann. Sie muss nur systematisch erfolgen, so dass die Zeiten wohl in ein Erfassungssystem einzupflegen sind, in das der Arbeitnehmer Einsicht nehmen kann.
Die zugrunde liegende Arbeitszeit-Richtlinie 2003/88/EG sieht in Art. 17 Abs. 1 bereits selbst für bestimmte Personen- bzw. Tätigkeitsgruppen vor, dass von den Richtlinienvorgaben abgewichen werden kann. Für leitende Angestellte ist dies z.B. bereits derzeit der Fall, für diese gilt das deutsche Arbeitszeitrecht ohnehin nicht, § 18 Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Auch hieran wird sich nichts ändern. Der EuGH stellt in seinem Urteil überdies ausdrücklich fest, dass Ausnahmen von der allgemeinen Pflicht zur Arbeitszeiterfassung unter bestimmten Voraussetzungen denkbar sind. Hierzu nennt er als zu berücksichtigende Besonderheiten z.B. die jeweiligen Tätigkeitsbereiche der Unternehmen oder die Eigenheiten bestimmter Unternehmen, wie z. B. deren Größe.
Der deutsche Gesetzgeber hat daher bei einer Anpassung des Arbeitszeitgesetzes die Möglichkeit, insbesondere mittelständische Unternehmen, für die eine weitere Dokumentation der Arbeitszeit eine besondere Belastung darstellt, von der entsprechenden Pflicht auszunehmen. Welche Größenordnung man hier als sinnvoll ansieht, ist der Politik überlassen. Folgt man der Argumentation des EuGH, wonach ein Schutz kleinerer Unternehmen vor nicht leistbarem administrativen Aufwand intendiert ist, bieten sich entsprechende „Überforderungsgrenzen“ an, die der Gesetzgeber im Arbeitsrecht auch an anderer Stelle vorsieht.
So kann die seit 1. Januar 2019 eingeführte Brückenteilzeit erst dann beansprucht werden, wenn mehr als 45 Arbeitnehmer beschäftigt werden. Eine solche Grenze könnte sich daher als Diskussionsgrundlage eignen. Ausnahmen von der Arbeitszeiterfassung im Sinne einer vollständigen Herausnahme von der Verpflichtung könnten auch für bestimmte Brachen gelten, bei denen z.B. aufgrund mobiler Arbeitsorte eine derartige Arbeitszeiterfassung schlicht nicht bzw. nur unter erheblichem Aufwand leistbar ist.
Modifikationen ja, aber kein Umbruch im Arbeitszeitrecht
Was folgt damit insgesamt aus dem „Stechuhr-Urteil“: Eine moderate Anpassung des deutschen Arbeitszeitrechts wird wohl notwendig, aber auch ausreichend sein. Vertrauensarbeitszeit, wonach Arbeitnehmer selbstbestimmt ihre eigene Arbeitszeit selbst erfassen, wird weiterhin möglich sein. Versteht man unter Vertrauensarbeitszeit hingegen Systeme, bei denen Arbeitnehmer täglich 12 Stunden oder mehr arbeiten und diese Zeiten aber mangels Erfassung nicht auffallen, so wird diese Handhabe nicht mehr möglich sein. Sie war aber auch bereits nach bisherigem Arbeitszeitrecht unzulässig. Es fiel bloß niemandem auf.
Die Gesetzeslage ändert sich durch das Urteil nicht. Insoweit ist der Kern der Kritik am Urteil eine Kritik am zugegebenermaßen restriktiven Arbeitszeitrecht. Dies kann und sollte man zurecht in Zeiten der Arbeitswelt 4.0 und sowohl arbeitgeber-, als auch arbeitnehmerseitig geäußerten Wünschen nach Arbeitszeitflexibilität kontrovers diskutieren.
(Mit Material von dpa)
Prof. Dr. Michael Fuhlrott (Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei FHM – Fuhlrott Hiéramente & von der Meden Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB – sowie Professor für Arbeitsrecht an der Hochschule Fresenius in Hamburg).
https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/eugh-c55-18-stechuhr-vertrauens-arbeitszeit-erfassung-arbeitnehmer/
Mehrarbeitszuschläge bei Teilzeitarbeit
Eine Regelung in einem Tarifvertrag kann im Einklang mit § 4 Abs. 1 TzBfG* dahin auszulegen sein, dass Mehrarbeitszuschläge bei Teilzeitbeschäftigten für die Arbeitszeit geschuldet sind, die über die Teilzeitquote hinausgeht, die Arbeitszeit einer Vollzeittätigkeit jedoch nicht überschreitet.
Die Klägerin ist bei der Beklagten als stellvertretende Filialleiterin in Teilzeit tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für die Systemgastronomie Anwendung. Er regelt ua. Mehrarbeitszuschläge und erlaubt es, wie im Fall der Klägerin eine Jahresarbeitszeit festzulegen. Für den nach Ablauf des Zwölfmonatszeitraums bestehenden Zeitsaldo hat die Beklagte die Grundvergütung geleistet. Sie hat dagegen keine Mehrarbeitszuschläge gewährt, weil die Arbeitszeit der Klägerin nicht die einer Vollzeittätigkeit überschritt. Die Klägerin verlangt Mehrarbeitszuschläge für die Arbeitszeit, die über die vereinbarte Arbeitszeit hinausging.
Die Vorinstanzen haben der Klage überwiegend stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte vor dem Zehnten Senat mit Blick auf die Mehrarbeitszuschläge keinen Erfolg. Die Auslegung des Tarifvertrags ergibt, dass Teilzeitbeschäftigte mit vereinbarter Jahresarbeitszeit einen Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge für die Arbeitszeit haben, die über ihre individuell festgelegte Arbeitszeit hinausgeht. Diese Auslegung entspricht höherrangigem Recht. Sie ist mit § 4 Abs. 1 TzBfG vereinbar. Zu vergleichen sind die einzelnen Entgeltbestandteile, nicht die Gesamtvergütung. Teilzeitbeschäftigte würden benachteiligt, wenn die Zahl der Arbeitsstunden, von der an ein Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung entsteht, nicht proportional zu ihrer vereinbarten Arbeitszeit vermindert würde. Der Zehnte Senat gibt seine gegenläufige Ansicht auf (BAG 26. April 2017 – 10 AZR 589/15 -). Er schließt sich der Auffassung des Sechsten Senats an (BAG 23. März 2017 – 6 AZR 161/16 – BAGE 158, 360).
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Dezember 2018 – 10 AZR 231/18 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Januar 2018 – 2 Sa 1365/17 –
*§ 4 Abs. 1 TzBfG lautet:
1Ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. 2Einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht.
Hinweis: Der Senat hat am 19. Dezember 2018 über vier weitere parallel gelagerte Sachverhalte entschieden (- 10 AZR 617/17, 10 AZR 618/17, 10 AZR 140/18 und 10 AZR 232/18 -). Die auf Mehrarbeitszuschläge gerichteten Klagen hatten Erfolg.
Pressemitteilung des BAG (70/18)
Vergütung von Resturlaub geht auch ohne Urlaubsantrag
Urlaub kann in Geld abgegolten werden, selbst wenn der Arbeitnehmer keinen Urlaub beantragt hatte. Ausnahme: Der Arbeitgeber hat über mögliche Anspruchsverluste genau informiert. Geklagt hatte ein Rechtsreferendar.
Auch wer keinen Urlausantrag gestellt hatte, verliert nicht zwangsläufig den Anspruch auf Vergütung der Resturlaubstage. Der Geldanspruch geht aber unter, wenn der Arbeitgeber den Mitarbeiter umfassend über die Sachlage informiert hat. Die Beweislast für die Aufklärung trägt der Arbeitgeber. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) auf zwei Vorabscheidungsersuchen des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Berlin-Brandenburg und des Bundesarbeitsgerichts (BAG) entschieden (Urt. v. 06.11.2018, Az. C-619/16 und C-684/16). Keine Rolle spielt, ob es sich um öffentlich-rechtliche oder private Arbeitsverhältnisse handelt.
Einer der Fälle ist der eines ehemaligen Rechtsreferendars aus Berlin, der andere der eines Wissenschaftlers an der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, den das BAG vorgelegt hatte. Gemeinsam haben die Fälle, dass beide Beschäftigungsverhältnisse zu einem festgelegten Termin endeten, beide Männer ihren Urlaub nicht vollständig genommen hatten und schließlich Entschädigung in Geld beanspruchten.
Im Fall des Referendars hatte das Land Berlin eine solche Zahlung abgelehnt. Er sei ja nicht daran gehindert worden, seinen Urlaub zu nehmen, sondern habe nie einen Urlaubsantrag gestellt. Eine Entschädigung in Geld käme selbst nach der Richtlinie 2003/88 (Arbeitszeitrichtlinie) nur in Betracht, wenn der Referendar den Urlaub aus von seinem Willen unabhängigen Gründen nicht hätte nehmen können, wie etwa Krankheit.
Recht auf Urlaub ist für alle da
Der EuGH stellte klar, dass das Recht auf Jahresurlaub für alle Beschäftigten in der Charta der Grundrechte der EU verankert ist. Dieses Recht gehe zwangsläufig mit der Pflicht des Arbeitgebers einher, diesen Urlaub auch zu gewähren – oder eben eine Vergütung zu zahlen, wenn das Beschäftigungsverhältnis endet. Dabei sei unerheblich, ob es sich um ein privates oder ein öffentliches Beschäftigungsverhältnis handelt.
Damit knüpft der EuGH an seine Entscheidung an (EuGH Urt. v. 12. Juni 2014, Az. C 118/13), dass Art. 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie für einen Geldanspruch nur erfordert, dass das Arbeitsverhältnis beendet ist und der Arbeitnehmer Resturlaubstage hat. Dass ein Urlaubsantrag gestellt wurde, fordert die Richtlinie nicht.
Verlust nicht so einfach
Den Anspruch auf Urlaub oder finanzielle Vergütung können die Beschäftigten auch nicht so einfach verlieren – er fällt im Todesfall sogar in die Erbmasse. Allein, dass kein Urlaubsantrag gestellt wurde, sei jedenfalls nicht entscheidend, urteilte der EuGH. Nur wenn die Menschen tatsächlich in die Lage versetzt wurden, ihre Urlaubstage rechtzeitig zu nehmen, könne ein Anspruch auf Geldentschädigung ausgeschlossen sein. Darüber muss der Arbeitgeber allerdings aufklären – und dass er das getan hat, muss dieser beweisen.
Der EuGH begründet dies mit der schwächeren Position des Beschäftigten: Der könne abgeschreckt sein, seine Rechte gegenüber seinem Arbeitgeber ausdrücklich geltend zu machen. Rechte einzufordern, könne negative Folgen für ihn haben. Für den Arbeitgeber hingegen sei der Nachweis, dass der Arbeitnehmer freiwillig und in voller Kenntnis der Sachlage auf den Urlaub verzichtet hat, kein Problem.
Kann der Arbeitgeber diesen Nachweis erbringen und hatte der Mitarbeiter auch faktisch die Möglichkeit, Urlaub zu nehmen, sieht die Sache anders aus. Denn dann steht, so die Richter in Luxemburg, das Unionsrecht einer Regelung nicht entgegen, nach der ein Anspruch auf finanzielle Vergütung auch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen ist.
EuGH will keine Bereicherung durch Urlaubsanspruch
Der EuGH erkennt die Gefahr dieser Rechtsprechung natürlich selbst und argumentiert: Urlaub soll der Erholung dienen. Und keine Regelung sollte dazu führen, dass Arbeitnehmer ihren Urlaub nicht nehmen, um nach dem Ende ihres Beschäftigtenverhältnisses mehr Geld zu haben.
Nun müssen das OVG und das BAG wieder ran: Sie werden prüfen müssen, inwieweit der Rechtsreferendar und auch der Wissenschaftler die Möglichkeit hatten, tatsächlich Urlaub zu nehmen und ob sie von ihren Arbeitgebern bzw. Dienstherren hinreichend informiert wurden. Arbeitgeber müssen auch künftig nicht den Mitarbeitern den Urlaub nahezu aufzwängen, wie das BAG bei der Vorlage anfragte – aber informieren, das werden sie müssen.
von Tanja Podolski
Pressemitteilung von Legal Tribune Online: https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/eugh-c619-16-referendar-urlaub-geld-entschaedigung/
Erbschaft inklusive Urlaub
Hat der Erblasser im Todeszeitpunkt noch Urlaubsansprüche, so werden auch diese vererbt. Die Erben können dann deren Auszahlung verlangen. Das Urteil des EuGH widerspricht der bisherigen Rechtsprechung des BAG, analysiert Michael Fuhlrott.
Erneut hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) für Bewegung im deutschen Urlaubsrecht gesorgt und die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) für unionsrechtswidrig qualifiziert (Urt. v. 6.11.2018, Az. C-569/16 und C-570/16). Stirbt ein Arbeitnehmer im laufenden Arbeitsverhältnis und standen diesem noch unerfüllte Urlaubsansprüche zu, so wandeln sich diese in einen Urlaubsabgeltungsanspruch um. Die Erben können dann vom Arbeitgeber des Verstorbenen die Auszahlung des Urlaubs verlangen. Wenn das deutsche Recht dies nicht erlaube, könne sich der Erbe unmittelbar auf das Unionsrecht berufen.
Mit seiner Entscheidung bestätigt der EuGH die Sichtweise des Generalanwalts beim EuGH Bot, der bereits in seinen Schlussanträgen auf die besondere Bedeutung des Urlaubsanspruchs hinwies und sich auch nicht durch nationale Bedenken des diese Sachen vorlegenden BAG (Beschl. v. 18.10.2016, Az. 9 AZR 196/16 (A)) umstimmen ließ.
Ausgangspunkt für den Vorlagebeschluss des BAG waren die Klagen zweier Witwen, die Erbinnen ihrer jeweils verstorbenen Ehemänner waren. Deren Ableben erfolgte, während sie noch in einem bestehenden Arbeitsverhältnis standen. Einer der Erblasser war Beschäftigter der Stadt Wuppertal, einem öffentlichen Arbeitgeber, während der zweite Erblasser in den Diensten eines privatwirtschaftlichen Wartungsunternehmens stand. Beide Verstorbene einte, dass sie im Todeszeitpunkt noch im Besitz nicht erfüllter Urlaubsansprüche waren.
Die jeweiligen Witwen als Erblasserinnen machten nunmehr gegenüber den Arbeitgebern die Auszahlung der unerfüllten Urlaubsansprüche geltend. Diese hätten sich mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einen Abgeltungsanspruch gewandelt. Hierfür sei es unerheblich, ob die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Tod der Arbeitnehmer erfolgt sei oder der Arbeitnehmer sein Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis noch erlebt habe. Urlaub sei Urlaub, und wenn dieser nicht durch den Arbeitnehmer genommen werden konnte, sei er zu vererben.
von Prof. Dr. Michael Fuhlrott
Pressemitteilung Legal Tribune Online: https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/eugh-c569-16-urlaubsanspruch-abgeltung-vererbbarkeit-erben-bag/
Offene Videoüberwachung – Verwertungsverbot
Die Speicherung von Bildsequenzen aus einer rechtmäßigen offenen Videoüberwachung, die vorsätzliche Handlungen eines Arbeitnehmers zulasten des Eigentums des Arbeitgebers zeigen, wird nicht durch bloßen Zeitablauf unverhältnismäßig, solange die Ahndung der Pflichtverletzung durch den Arbeitgeber arbeitsrechtlich möglich ist.
Die Klägerin war in einem vormals von dem Beklagten betriebenen Tabak- und Zeitschriftenhandel mit angeschlossener Lottoannahmestelle tätig. Dort hatte der Beklagte eine offene Videoüberwachung installiert. Mit den Aufzeichnungen wollte er sein Eigentum vor Straftaten sowohl von Kunden als auch von eigenen Arbeitnehmern schützen. Nach dem Vortrag des Beklagten wurde im 3. Quartal 2016 ein Fehlbestand bei Tabakwaren festgestellt. Bei einer im August 2016 vorgenommenen Auswertung der Videoaufzeichnungen habe sich gezeigt, dass die Klägerin an zwei Tagen im Februar 2016 vereinnahmte Gelder nicht in die Registrierkasse gelegt habe. Der Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos.
Die Vorinstanzen haben der dagegen gerichteten Kündigungsschutzklage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, die Erkenntnisse aus den Videoaufzeichnungen unterlägen einem Verwertungsverbot. Der Beklagte hätte die Bildsequenzen unverzüglich, jedenfalls deutlich vor dem 1. August 2016 löschen müssen.
Auf die Revision des Beklagten hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts das Berufungsurteil hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Sollte es sich – was der Senat nach den bisherigen Feststellungen nicht beurteilen kann – um eine rechtmäßige offene Videoüberwachung gehandelt haben, wäre die Verarbeitung und Nutzung der einschlägigen Bildsequenzen nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG aF* zulässig gewesen und hätte dementsprechend nicht das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt. Der Beklagte musste das Bildmaterial nicht sofort auswerten. Er durfte hiermit solange warten, bis er dafür einen berechtigten Anlass sah. Sollte die Videoüberwachung rechtmäßig erfolgt sein, stünden auch die Vorschriften der seit dem 25. Mai 2018 geltenden Datenschutz-Grundverordnung einer gerichtlichen Verwertung der erhobenen personenbezogenen Daten der Klägerin im weiteren Verfahren nicht entgegen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. August 2018 – 2 AZR 133/18 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 20. Dezember 2017 – 2 Sa 192/17 –
Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung von Pauschalen nach § 288 Abs. 5 BGB* bei Verzug des Arbeitgebers mit der Entgeltzahlung?
Die Parteien streiten in der Revision noch über die Zahlung von Pauschalen nach § 288 Abs. 5 BGB.
Der Kläger ist langjährig bei der Beklagten beschäftigt. Er hat diese auf Zahlung rückständiger Besitzstandszulagen für die Monate Mai bis September 2016 in Anspruch genommen. Zudem hat er von der Beklagten wegen Verzugs mit der Zahlung der Besitzstandszulage für die Monate Juli bis September 2016 die Zahlung von drei Pauschalen à 40,00 Euro nach § 288 Abs. 5 BGB verlangt. Insoweit hat er die Ansicht vertreten, § 288 Abs. 5 BGB sei auch im Arbeitsrecht anwendbar. Die Beklagte hat demgegenüber im Wesentlichen eingewandt, § 288 Abs. 5 BGB sei im Arbeitsrecht gemäß § 12a ArbGG ausgeschlossen. Zudem lägen die Voraussetzungen des § 288 Abs. 5 BGB nicht vor, da sie sich nicht schuldhaft in Verzug befunden habe.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten, mit der diese sich gegen ihre Verurteilung zur Zahlung der Pauschalen nach § 288 Abs. 5 BGB wendet, war vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolgreich. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die geltend gemachten Pauschalen. Zwar findet § 288 Abs. 5 BGB grundsätzlich auch in Fällen Anwendung, in denen sich der Arbeitgeber mit der Zahlung von Arbeitsentgelt in Verzug befindet. Allerdings schließt § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG als spezielle arbeitsrechtliche Regelung nicht nur einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch wegen erstinstanzlich entstandener Beitreibungskosten, sondern auch einen entsprechenden materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch und damit auch den Anspruch auf Pauschalen nach § 288 Abs. 5 BGB aus.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. September 2018 – 8 AZR 26/18 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 10. Oktober 2017 – 8 Sa 284/17 –
Vergütung von Reisezeiten bei Auslandsentsendung
Entsendet der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vorübergehend zur Arbeit ins Ausland, sind die für Hin- und Rückreise erforderlichen Zeiten wie Arbeit zu vergüten.
Der Kläger ist bei dem beklagten Bauunternehmen als technischer Mitarbeiter beschäftigt und arbeitsvertraglich verpflichtet, auf wechselnden Baustellen im In- und Ausland zu arbeiten. Vom 10. August bis zum 30. Oktober 2015 war der Kläger auf eine Baustelle nach China entsandt. Auf seinen Wunsch buchte die Beklagte für die Hin- und Rückreise statt eines Direktflugs in der Economy-Class einen Flug in der Business-Class mit Zwischenstopp in Dubai. Für die vier Reisetage zahlte die Beklagte dem Kläger die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung für jeweils acht Stunden, insgesamt 1.149,44 Euro brutto. Mit seiner Klage verlangt der Kläger Vergütung für weitere 37 Stunden mit der Begründung, die gesamte Reisezeit von seiner Wohnung bis zur auswärtigen Arbeitsstelle und zurück sei wie Arbeit zu vergüten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers der Klage stattgegeben.
Die Revision der Beklagten hatte vor dem Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts teilweise Erfolg. Entsendet der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer vorübergehend ins Ausland, erfolgen die Reisen zur auswärtigen Arbeitsstelle und von dort zurück ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers und sind deshalb in der Regel wie Arbeit zu vergüten. Erforderlich ist dabei grundsätzlich die Reisezeit, die bei einem Flug in der Economy-Class anfällt. Mangels ausreichender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zum Umfang der tatsächlich erforderlichen Reisezeiten des Klägers konnte der Senat in der Sache nicht abschließend entscheiden und hat sie deshalb unter Aufhebung des Berufungsurteils zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17. Oktober 2018 – 5 AZR 553/17 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13. Juli 2017 – 2 Sa 468/16 –